Netflix drosselt für die nächsten 30 Tage die Streaming-Geschwindigkeit für Europa. Warum Netflix Dinge wie Autoplay sowieso abstellen sollte. Warum das Ganze einen großen Impact hat. Und warum JEDER Anbieter von digitalen Services etwas zum Thema Nachhaltigkeit beitragen kann und sollte, habe ich Ende letzten Jahres zusammen mit Susi aufgeschrieben.
Webdesign in nachhaltig
Nach einem Tag harter Arbeit vor dem Bildschirm (also E-Mails schreiben, Chat-Nachrichten verfassen, GIFs versenden) kann man es sich schon mal zu Hause gemütlich machen. Vor dem großen Bildschirm: Füße hoch, Netflix an, Smartphone raus, Second Screen, na klar. Automatisch läuft der Trailer zu einer Neuerscheinung: irgendeine Doku über Drogen. Weiter. Was mit Gangstern. Weiter. Eine Doku über den Klimawandel. Das ist gerade aktuell, da muss man sich auskennen. Abspielen. Reden wir mal über Klimawandel.
Schöne neue digitale Welt. Alles ist einen Fingertipp entfernt. Früher: mit dem Auto zur Videothek, Videokassette aus Plastik ausleihen, Videokassette ins stromfressende Abspielgerät (aus Plastik) stecken. Dreckig. Umständlich. Wucher. Ineffizient.
Das ist heute ja alles viel grüner, oder? Wirklich?
Danke, Internet. Die große Wolke, aus der alles automatisch zu mir runter rieselt. Mit einem Klick auf Abspielen starte ich nicht mehr bei mir zu Hause den Videorekorder, sondern ganz woanders auf der Welt. Durch ein Netz aus Glasfaser-, Kupferkabeln und durch die Luft kommt das Ganze dann zu mir. Dieser Weg kostet Energie und deswegen hängt am Ende des Netzwerks meistens ein Kohlekraftwerk. Je mehr ich anklicke, desto mehr Kohlen fallen in das Feuer. Echter Hot Content. Und je schneller unsere Leitung, desto dreckiger wird unser Konsumverhalten. Wem soll man es verübeln: Don’t hate the player – hate the game! Mittlerweile gehen fast vier Prozent des globalen CO2-Ausstoßes auf Datentransfers zurück. Je nachdem welche Quelle man befragt, liegt das in der Nähe der Emissionen des Flugverkehrs (um die fünf Prozent).
Wir als Produzenten digitaler Produkte tragen dabei eine Verantwortung. Wir können Einfluss darauf nehmen, wie groß die Datenmenge ist, die sich zwischen Angebot und Nutzer bewegt. Denn im Grunde verhält es sich mit Daten wie mit Autos. Je länger der Motor läuft, desto mehr wird die Umwelt, das Bankkonto, die Atmosphäre belastet. Heißt: Nicht die Karre laufen lassen, nicht weit fahren, unnötige Wege vermeiden.
Der Weg zur nachhaltigen Website
1. Nah am Nutzer sein
Der Server ist so etwas wie das Logistikzentrum für die Informationen, die man verbreiten möchte. Deswegen ist es sinnvoll, dass er in einem Rechenzentrum möglichst nah am Endnutzer steht. Verbindungen, die um die Welt gehen, haben eine Menge Reibungsverlust. Signale müssen immer wieder verstärkt werden. Das kostet Energie. Und die können wir reduzieren. Also gilt auch hier: Kaufe regional – dort, wo deine Nutzer sind. Das spart Energie und verspricht schnellere Ladezeiten. Wenn du jetzt noch sicher stellst, dass dein Hosting-Anbieter auf grünen Strom setzt, betreibst du deinen Server regional und CO2-arm. Win-Win.
2. Kompression statt Kompromiss
Jetzt, wo deine Website mit grünen Energien läuft, kann es dir ja egal sein, wie viele Daten du verschickst, oder? Nicht ganz. Auch die Übertragung und die Handlungen der User verbrauchen Energie. Also hört deine Verantwortung nicht bei der Wahl des Servers auf. Schicke keine Pakete aus deinem Logistikzentrum, wenn sie niemand explizit angefordert hat. Fahre keine unnötigen Wege und lass die Karre nicht laufen.
Hinterfrage jeden Inhalt. Ist er wirklich relevant für den Nutzer? Und: Mit welcher Darstellungsform kann ich die gewünschte Information am effektivsten kommunizieren? Das heißt auf keinen Fall, dass du auf Bilder, Videos oder Audiodateien verzichten solltest. Im Gegenteil: Multimediale Inhalte können in vielen Fällen sogar das effektivste Kommunikationsmittel sein. Dann achte aber darauf, die Pakete so klein und leicht wie möglich zu packen. Moderne Kompressionsverfahren wirken meist sogar ohne Qualitätsverlust und sparen eine Menge Emissionen ein.
Typische Pakete, die unaufgefordert versendet werden? Das sind zum Beispiel Videos, die automatisch starten. Dadurch werden riesige Datenmengen gesendet, ohne dass der Nutzer danach gefragt hat. Verzichtest du darauf, ersparst du dem User die unangenehme Situation in der Bahn, wenn sein Smartphone plötzlich laut durch das Abteil stöhnt, weil die neue Amazon-Serie jede Menge Sexszenen enthält. Und nebenbei reduzierst du die Emissionen um ein Vielfaches. Das gilt auch für Werbeanzeigen, Banner, Cookies, Tracker und alles, was in die Seite eingebettet ist. Es gilt: „If in doubt, leave it out“.
3. So viel wie nötig, so wenig wie möglich
Apropos keine unnötigen Wege fahren. Wie oft bist du schon über Google auf einer Seite gelandet, deren Inhalt dann doch nicht so relevant war, sondern reines „Fishing for Clicks“? Und wie oft hast du danach eine neue Suchanfrage gestartet und gedacht: „Den Anbieter, der mir diesen irrelevanten Text auf Platz eins bei Google serviert hat, finde ich toll!“? Sei nicht dieser Anbieter. Biete nur genau das an, wonach der Nutzer gefragt hat. Nicht mehr und nicht weniger. Ergebnis: Der User ist zufrieden. Wie ironisch, dass dieser Artikel in einem kompletten PDF-Paket daher kommt.
4. Die letzte Zuflucht
Was aber, wenn du für Maßnahmen an deinem Angebot keine Zeit hast, aber dein Gewissen dich zerfrisst? Der letzte Ausweg: Ablasshandel für den (Umwelt-)Sünder. An Organisationen spenden, die einen positiven Klimabeitrag leisten, kannst du natürlich immer – auch wenn du kein schlechtes Gewissen hast.
Nachhaltiges Design ist gutes Design
Eine nachhaltig gestaltete Website ist keine langweilige Website. Im Gegenteil: Eine Website, die nachhaltig gestaltet ist, ist schnell, reduziert und relevant.
Um es mit Dieter Rams zu sagen: „Gutes Design ist so wenig Design wie möglich“. Und ach ja, im selben Regelwerk, das Rams schon 1993 verfasst hat, steht auch: „Gutes Design ist umweltfreundlich“. Vielleicht braucht es gar keinen (Klima-)Wandel im (Web-)Design, sondern nur eine Rückbesinnung. Abspann.
Erschienen in der Whitepaper-Serie „Hot Contents“ von fischerAppelt. Ausgabe „Nachhaltigkeit zweiten Grades“ (01/2020).
Von Susi Hoffmeister (UX Designerin) und Maurice Hofmann (UX Designer), Fork Unstable Media